Erwerbslose bauen ihre eigene Siedlung (1931 – 1933)

Raus aus der Stadt, rein ins Grüne und ein eigenes Häuschen: Dies ist auch heute noch ein Traum vieler Stadtbewohner.

Die Stadtrandsiedlung ist aber von Anfang an keine Siedlung von Leuten gewesen, die es „sich leisten können“ und sich ihr Traumhaus vom Architekten planen und von Bauarbeitern aufbauen lassen. Sie ist aus der Not der Weltwirtschaftskrise 1931/32 entstanden. Die Erwerbslosigkeit war hoch, die Arbeitslosenunterstützung kurz und gering. Wenn Vater arbeitslos war, musste die Familie oftmals hungern. Für die Glücklichen, die eine Siedlerstelle bekamen, war es ein Leuchtstreifen am Horizont.

Die Regierung Brüning schuf mit der 3. Notverordnung im November 1931 die Voraussetzungen für den Bau von Stadtrandsiedlungen: „Um die Seßhaftmachung der Bevölkerung auf dem Lande zu fördern, um die Erwerbslosigkeit zu vermindern und Erwerbslosen den Lebensunterhalt zu erleichtern, werden die landwirtschaftliche Siedlung sowie die Kleinsiedlung in der Umgebung von Städten [...] für Erwerbslose [...] gefördert“. Hier trafen sich konservative Vorstellungen vom Landleben, der Wunsch, den erwerbslosen Familien den Lebensunterhalt zu sichern und auch der Wunsch, die Erwerbslosen aus der Stadt heraus zu bekommen. Auch das „wilde Siedeln“ sollte kanalisiert werden.

Ca. 30.000 Siedlerstellen wurden in ganz Deutschland in den ersten beiden Bauabschnitten 1932 und 1933 geschaffen. Auch in Berlin erhielten einige Erwerbslose die Chance, das elende Leben mit einem Haus und Gartenfläche am Stadtrand zu tauschen. In der Mehrzahl handelte es sich um arbeitslose Handwerker, denn die Häuser sollten von den Erwerbslosen selbst gebaut werden.

Zuerst wurde die Stadtrandsiedlung „Am Mühlberg I“ errichtet, die heutige Stadtrandsiedlung Marienfelde I, auch „die katholische Siedlung“ genannt.

Anfang 1933 wurde dann der Grundstein für die Siedlungen „Am Mühlberg II“ und im November 1933 für „Am Mühlberg III“ gelegt. Schon im Oktober desselben Jahres zogen die ersten Siedler ein.

Gebaut wurden die Häuser von den künftigen Siedlern in Eigenleistung. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad ging es jeden Morgen zur Baustelle. Zusammen wurde gerodet, gegraben, gemauert, Rohre verlegt, gezimmert, welche Bautätigkeiten auch immer anfielen. So errichtete man gemeinsam nach und nach die Häuser. Anfangs wusste man nicht, welches das eigene Haus werden würde, so sollte verhindert werden, dass man sich beim eigenen Haus mehr Mühe als bei den anderen gab.

Zum Leben wurde weiterhin nur die geringere Erwerbslosen­unter­stützung oder die noch geringere Wohlfahrts­unter­stützung bezahlt. Es gab für die schwere Bautätigkeit höchstens ein Mittagessen und einen Fahrgeld­zu­schuss. Oftmals halfen auch die Kinder mit. Aber aus dem Erleben dieser gemeinsamen schweren Bauzeit entstand sicherlich auch das starke Zusammen­gehörigkeits­gefühl der Erstsiedler.

Für den Hausbau erhielt jeder Siedler ein niedrig verzinstes Reichsdarlehen von 3000 Reichsmark, davon wurden 500 Reichsmark als Eigenleistung angerechnet. Zur Ausstattung gehörten auch Gartengeräte und Sämereien zum Bestellen der 800-1000 qm Gartenfläche. Schließlich war es das Ziel, dass aus dem Garten ein Großteil des Lebensunterhaltes bestritten werden sollte.

Schließlich war es geschafft: Innerhalb eines Jahres waren die Häuser gebaut und wurden nun von glücklichen Familien bezogen: 178 Siedlerstellen in Marienfelde II. Ende 1934 waren auch alle 41 Doppelhäuser in Marienfelde III fertig.

Handwerker und zukünftige Siedler

 

Die stolzen Erbauer beim Richtfest in Marienfelde III

 

Gleich geht es ans Verputzen

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