Wiederaufbau und bescheidener Wohlstand (1945-1969)

Das Leben musste weitergehen.  

Die ersten Jahre des Friedens waren gekennzeichnet vom Kampf ums Überleben. Flüchtlinge und Vertriebene mussten aufgenommen werden. Keine Ziergärten, keine Rasenflächen, sondern überall Obst- und Gemüseanbau. Wir waren wieder "Kleinbauern". Selbstversorgung gab es auch bei den Getränken: reiner Alkohol wurde in Schnaps verwandelt, Obst zu Wein vergoren. Johannisbeeren wurden gepflückt und weiter verkauft. In so manchem Vorgarten wurde Tabak angebaut. Auch in dieser Notzeit halfen sich die Nachbarn.   

Nach und nach verschwanden die  Spuren der Zerstörung. Die Kriegsgefangenen kehrten heim. Mit der D-Mark setzte auch der Aufschwung ein, die Geschäfte waren wieder voll. Weiterhin beschwerlich blieb der Schul- und Arbeitsweg. Die Siedlung am Rande der Stadt wurde vom Bezirksamt Tempelhof wenig wahrgenommen, der Antrag auf Errichtung eines Schul- und Ver­sammlungs­gebäudes wurde abgelehnt. Eine Buslinie zur Stadtrandsiedlung wurde erst in den 1960-ern eingerichtet.

Garagenbau

Schuld ist die Haushaltslage...

Im Jahr 1948 stellt der Siedlungsvorstand beim Magistrat von Groß-Berlin den Antrag, eine Holzbaracke für Schul- und Versammlungs-zwecke auf dem Gelände der Siedlung zu errichten. Der Magistrat hat die Notwendigkeit schnell erkannt, die Schulen im  Dorf Marienfelde waren teilweise wegen der Kriegsschäden nicht zu nutzen und öffentliche Verkehrsmittel gab es erst am Nassen Dreieck, heute Marienfelder Allee / Alt Marienfelde. Für die Kleinen ein Schulweg von mehr als 40 Minuten zur Schule, die Marienfelder Allee war nicht gepflastert und teilweise stark beschädigt. Eine Straßenbeleuchtung war nur mehr als spärlich vorhanden.

Das zuständige Schulamt war völlig über den Antrag überrascht, wusste dort doch niemand von der Existenz der Stadtrandsiedlung. Das Bezirksamt Tempelhof befürwortete zwar den Antrag, das Projekt wurde am 19.10.1949 endgültig begraben, es war kein Geld da!

Das Gleiche hätte 60 Jahre später geschehen können, Ergebnis und Begründung wären nicht anders als damals.

Versuche, die östlich der Stadtrandsiedlung gelegenen Bunkeranlagen abzutragen oder zu sprengen, schlugen fehl. So entschloss man sich, diese Anlagen mit Hausmüll und Schutt zu überdecken. Müllfahrzeuge fuhren durch den Reinstedter Weg, verursachten Lärm und Gestank. Auch die schon teilweise  durch Kriegshandlungen stark beanspruchten Fundamente wurden einer neuen Belastungsprobe ausgesetzt. Der Vorstand bat um Abhilfe. Erst ein Gutachten durch Baufachleute trug dazu bei, dass die schweren Kraftfahrzeuge der Müllabfuhr einen anderen Weg nahmen.

Die Siedlungswege waren wieder einmal Hauptproblem geworden. Im Herbst und Winter 1950/51 wurden neue Wasserleitungen verlegt. Die aufgerissenen Straßen wurden nur notdürftig zugeschüttet. Einige Fuhren Schlacke sollte wieder ausreichen, die Straßen passierbar zu machen. 1957 wurden dann endlich ein Großteil der Siedler an eine Drainage angeschlossen, so dass das Problem der "Küchenschwimmbäder" gelöst war.

Es ging weiter aufwärts. Rasenmäher und Waschmaschine wurden noch in der Drogerie Behring ausgeborgt, bei der Kolonialwarenhandlung Bleckert gab es eine Mangel.

Zur Freizeitgestaltung gab es im Dorf das „Nasse Dreieck“ und Tanzlokale in der Marienfelder Allee. Das Kino in Alt-Marienfelde wurde ebenfalls gerne besucht.  Beliebt waren auch die vom Festausschuss veranstalteten jährlichen Sommerfeste.

Eine Straßen­beleuchtung, Telefon, Wasserversorgung wurden installiert. Vieles dauerte allerdings auf Grund der Stadtrandlage länger, bis es bei uns ankam. Und auch hier war immer wieder Buddelei in Eigen­leistung und Nachbar­schafts­hilfe gefragt. So vermittelte „Zaun-Anna“ Zäune, die bei ihr monatlich abgezahlt werden konnten.

Es gab auch Schattenseiten: Unsere Siedlung liegt am Rande der Stadt Berlin. So bekamen die Siedler die Teilung Deutschlands und 1961 den Mauerbau hautnah mit.

Immer weiter wurden die Häuser ausgebaut; kaum ein Haus, an dem nicht Veranda oder Gaube angebaut wurden. Durch den Ausbau des Dachstuhls wurde mehr Platz geschaffen. Teilweise wurden die Häuser vergrößert und Garagen gebaut. Einkommen und Wohlstand stiegen, und das sah man vielen Häusern und Grundstücken an. In den Vorgärten wurden die Beete zu schönen Schaufenstern umgestaltet.

<== Faschismus, Krieg und Zerstörung                                                                                                                                                            wird fortgesetzt ....